| Lübeck und das liebe GeldWer auf der ersten Lübecker Börse handelte, musste wetterfest sein. Denn sie war nichts als ein gekennzeichneter Platz auf dem Markt, den der Rat 1605 "zum behuef einer Borsen" eingerichtet hatte. Wenn das Wetter zu sehr schmuddelte, konnten sich die Kaufleute allerdings unter die Arkaden unter dem Renaissancebau zurückziehen. Auch wenn in anderen Städten die Börsen nicht komfortabler waren, drängten die Kaufleute doch darauf, einen festen Bau beziehen zu dürfen. Die kommerzierenden Kollegien suchten nach einer Alternative für ihren ungemütlichen Börsenplatz. Bereits 1673 erfolgte der Umbau. 3000 lübsche Mark kostete er. Auch wenn genauere Unterlagen über diesen ersten Ausbau fehlen, wird doch angenommen, dass der gesamte untere Bereich des Gewandhauses als Börsensaal gestaltet wurde, dass die Decke bereits auf die spätere Höhe gezogen wurde. Besondere Erwähnung fand die reiche Ausschmückung des Raumes mit Bildern. Das endgültige Raummaß erhielt er dann beim Umbau 1755 bis 1756. Auf die stattliche Höhe von 8,40 Meter kam er dabei, maß 38,20 Meter in der Länge und 11,75 Meter in der Breite (an der Nordseite, an der Südseite war er mit 10,60 Meter etwas schmaler). Und da karikierte der anerkannte Grafiker Alfred Mahlau (* 21. Juni 1894 in Berlin; † 22. Januar 1967 in Hamburg) Lübecks stolzes Wappentier, den Doppeladler. Er gab ihm die Gestalt eines elenden Pleitegeiers. Damit machte Mahlau sich natürlich nicht nur Freunde. Die Kritiker mögen sich getröstet haben, dass diese Geldscheine nur ein dreiviertel Jahr Gültigkeit haben sollten. Dabei war der kümmerliche Jungvogel durchaus ein treffendes Symbol für das wirtschaftliche Elend, in dem die Stadt steckte. Mit dem Notgeld reagierte Lübeck wie alle anderen Städte - und teilweise auch private Unternehmen - auf die zerüttete Währung nach dem Ersten Weltkrieg. Und da das Notgeld sich bald als Sammelobjekt erwies, brachten einige Kommunen Serien heraus, in denen Bildergeschichtchen - wie beim Notgeld Mahlaus der Fall - oder heimatliche Sagen erzählt wurden. 1921, in dem Jahr, in dem die Scheine Mahlaus erschienen, herrschte eine ausgesprochene Sammelwut. Viele Sammler spekulierten auf enorme Wertsteigerungen in der Zukunft. Städte nutzten das mit den Serienscheinen. Fachleute schätzen heute, dass im ganzen Land über 8.000 verschiedene solcher Serienscheine in Umlauf gebracht wurden (das sind lediglich acht Prozent aller gedruckten Notgeldscheine). Es entstanden in nahezu allen Städten Spezialhandlungen für Notgeld. Anfangs sammelte man noch fleißig, wie etwa früher Telefonkarten. Jedes Scheinchen, das in eine Sammlung wanderte, war für die Stadt also bar verdientes Geld. Und damit dieses einträgliche Spiel möglichst bald wiederholt werden konnte, setzten die Herausgeber die Gültigkeitsdauer möglichst kurz befristet an. So erschien zur Nordischen Woche vom 1. bis 11. September 1921 in Lübeck Notgeld, das nur während dieser Veranstaltung Gültigkeit besaß. Es darf vermutet werden, dass damit auch auf Souvenirsammler spekuliert wurde. (Einige gewitzte Zeitgenossen gaben übrigens Notgeld von Städten heraus, die auf keiner Landkarte zu finden sind). 1922 wurde dieser Spekulation mit dem Seriengeld offiziell ein Ende gesetzt. Sammler hatten bei den Staatsanwaltschaften Anzeige wegen Münzvergehen gestellt. Dennoch liefen die Druckmaschinen an so manchem Ort heimlich weiter. Wer versuchte, aus Notgeld Kapital zu schlagen, musste in dieser an Schiebern und Gaunern reichen Zeit keineswegs zu den großen Ganoven gehören. Die Kriminalität war beängstigend angewachsen. Lübeck verzeichnete 1919 und 1920 die dreifache Zahl an Strafprozessen gegenüber 1913. Eine Ladung verdorbener Pferdefleischkonserven ließ am 14. Juni 1919 in Lübeck den Geduldsfaden reißen. Unruhen mit Plünderungen richteten sich gegen Nahrungsmittelwucher und gegen die Schieber. Eine Einwohnerwehr sorgte vorübergehend für Ruhe. Doch die Zeit war aus den Fugen geraten. Der Wert des Geldes verfiel zusehends. Als im Jahre 1923 die Billiarden, Billionen und Milliarden zu alltäglichen Größen geworden waren, kam es vom 9. bis 13. August zu Tumulten in der Stadt. Während die Preise in unermessliche Höhen gestiegen waren, konnte selbst für Taschen voller Geld nichts gekauft werden. Das Telegrafenamt Lübeck registrierte säuberlich im November 1923 Telegrammgebühren von 13.049.731.200.000.000 Reichsmark. Das sind 13 Billiarden, 49 Billionen, 731 Milliarden, 200 Millionen. Geldscheinpäckchen von geringem Wert (z.B. Einmilliardenscheine, die 0,1 Goldpfennig entsprachen) zu zählen, war viel zu aufwendig. Sie wurden gewogen und dann mit dem Möbelwagen direkt in die Papiermühle gefahren. Wen wundert es da noch, dass sich auch unter den Beamten der Post in Lübeck niemand aufregte, als ein Telegrammbote einmal einen Sack mit Geld irgendwo vergessen hatte. Als er den Verlust bemerkte, war der Wert des Geldes inzwischen so weit gesunken, dass es problemlos zu ersetzen war. |
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